Mofid Karajili: "Wie geht es uns als Christen in Syrien im täglichen Leben? Damaskus, Homs, Aleppo, die Küstenlinie und der größte Teil des Staatsgebietes stehen inzwischen unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Dort ist es weitgehend ruhig, man kann ein relativ normales Leben führen. Menschen gehen zur Arbeit, man kann ohne größere Gefahren von Stadt zu Stadt reisen. In den Gegenden, wo fanatische islamistische Gruppen die Kontrolle ausüben, können wir als Christen dagegen nicht leben. Und in den Kurdengebieten im Norden, wo ich selbst herkomme, herrscht zwar religiöse Toleranz. Aber die Lage dort ist vor allem durch die Angriffe der türkischen Armee gefährlich, auch dort leben inzwischen kaum noch Christen.
Wirtschaftlich gesehen ist es überall im Land katastrophal. Es fehlt uns einfach an allem. Strom ist etwa immer zwei Stunden an und dann wieder vier Stunden ausgeschaltet. Weil aber in den zwei Stunden alle versuchen, ihre Geräte anzuschalten, geht trotzdem regelmäßig nichts. 24 Stunden am Tag Zugang zu Elektrizität - das ist für uns ein unvorstellbarer Traum.
Treibstoff ist ebenfalls ein Riesenproblem, vor allem Diesel gibt es praktisch gar nicht. Deshalb können fast überhaupt keine Busse fahren. Auch Gas zum Kochen ist absolute Mangelware. Die Menschen stehen viele Stunden an, um sich eine Gasflasche zu besorgen - und stellen oft dennoch fest, dass es keine gibt. Dabei wäre Gas auch für das Heizen wichtig. Es ist durchaus sehr kalt in den nördlichen Regionen unseres Landes. Genau dort, wo gerade viele Menschen auf der Flucht sind.